Fabian Eder – Das Gesicht der anderen [Rezension]

Titel: Das Gesicht der anderen
Autor: Fabian Eder
Genre: Roman
Erschienen: 04.09.2014
Verlag: braumüller Verlag
Seiten: 288
erhältlich als: Hardcover, eBook
Reihe: nein

„Ein Sommerfest in einem Schloss am Stadtrand. Eine Waffe, ein
Schuss. Und eine junge Frau, die sich vom entstellten und einsamen
Mädchen zu ­einer herrischen, knallharten Unternehmerin in der
männerdominierten Welt der Waffen entwickelt.

Ein durch
Zufall gelöster Schuss aus der Waffe ihres Vaters ändert das Leben der
blutjungen, steinreichen Margarete Boll schlagartig. Isoliert von ihrer
Umwelt, einsam und gefangen in einem goldenen Käfig, versteckt sie ihre
seit dem Unfall grässlich entstellte Erscheinung hinter einer starren
Maske und sehnt sich nach Liebe.

Nur ein 36 Jahre älterer Mann vermag es, sie aus ihrer Isolation zu
befreien. Er wendet als Erster den Blick nicht ab. Schleichend beginnen
die Grenzen zwischen Moral, Hingabe, Perversion, Hass und Wahnsinn zu
verrinnen, bis Margarete erkennt, dass gerade ihr größter Makel größte
Macht bedeutet.“ [Quelle:klick]

Das Cover spiegelt den Inhalt recht gut wieder, wie ich finde. Es geht um ein Mädchen, welches kein Gesicht mehr hat und das ist beim Cover schön umgesetzt, indem das Gesicht der abgebildeten Person wie zerrissenes Papier dargestellt ist. Das Papier löst sich von darunterliegender Pappe und so kann man nichts von ihrem Gesicht erkennen. Ich finde es gut gewählt und ansprechend.

Die frische lust strich über die Haut ihres Gesichtes.

Margarete Boll hat ein schweres Schicksal: Durch einen tragischen Unfall, bei dem sie angeschossen wurde, hat sie wortwörtlich ihr Gesicht verloren. Der Schuss traf sie mitten ins Gesicht und dennoch hat sie überlebt. Doch ein Leben ohne Gesicht ist nicht dasselbe wie ein normales Leben und so lebt sie sehr zurückgezogen mit der über 80 Jahre alten Anna, die sie bei allem unterstützt, zusammen in einem Schloss, aufgebaut mit dem Vermögen ihres Vaters. Ihr Vater leitete vor seinem Tod eine Firma, die Schusswaffen herstellt und mit solch einer Waffe ist Margarete so entstellt worden.

Margarete lebt isoliert, trägt fast immer eine Maske die ihr Gesicht verhüllt, hat außer Anna keine Freunde und auch keinen Partner oder sonstige Bezugsperson. Der einzige Außenkontakt ist ihr Angestellter Albert Hager, der eine leitende Position in der Waffen-Firma Boll innehat und sich des Öfteren mit Margarete trifft und die wirtschaftliche Lage der Firma mit ihr bespricht. Margarete mag ihn jedoch nicht und auch ansonsten scheint sie wenig Interesse an anderen Menschen zu haben.

wenig soziale Beziehungen

Das Einzige, was ihr in ihrem Leben offenbar fehlt und sie zum Nachdenken bringt, ist ein Kind oder zumindest eine sexuelle Beziehung zu jemandem, denn das hat sie bisher noch nie erlebt.

So lässt sie sich nach und nach mit einem sehr viel älteren Mann ein, der ein bekannter Musiker ist und sich scheinbar aller Äußerlichkeiten zum Trotz zu Margarete hingezogen fühlt. Gestärkt durch die neue Unterstützung steigt Margarete dann auch tiefer in das Waffengeschäft ein.

Der Anfang des Buchs hat mich sehr gefesselt. Wir lernen Margarete auf einem Lauf durch den Wald kennen und erfahren wie der tragische Unfall vonstatten gegangen ist. Zunächst bezieht sich das Buch sehr auf Margaretes Gefühle und ich hatte großes Mitleid mit ihr. Es ist sicher nicht einfach in einer Gesellschaft, die sehr auf das Äußere fixiert ist, klarzukommen und ich kann sehr gut verstehen, dass Margarete zurückgezogen lebt. Die Beschreibungen, wie ihr Umfeld auf sie reagiert und wie sie versucht mit ihrer Maske damit umzugehen, finde ich sehr glaubwürdig und gut geschildert.

„Wovor haben Sie Angst?“ […] „Die Menschen sind es, die vor mir Angst haben“, antwortete sie. „Sie fürchten sich vor allem, was anders aussieht.“ – Seite 144

Doch leider war es das dann auch schon und nach ca. einem Drittel des Buchs wurde die Story für mich immer oberflächlicher, seltsamer und irrealistischer bis zu einem Finale, bei dem ich wirklich nur noch den Kopf schütteln konnte.
Margarete lernt im Internet einen Mann kennen, mit dem sie viel chattet und auch online „intim“ mit ihm wird. Dass er sie daraufhin treffen will und sie sich darauf einlässt und auch der furchtbare Ausgang dieses Treffens finde ich so schlimm es auch ist leider realistisch. Das war für mich als Leser dann aber auch das Highlight des Buchs denn von da an ging es bergab.
Margarete wird von da an immer unrealistischer für mich. Sie wurde durch eine Schusswaffe fürchterlich entstellt und trotzdem steigt sie voll in das Geschäft ihres Vaters ein. Man könnte meinen sie tut es um das Vermächtnis ihrer Familie hochzuhalten doch über ihr Verhältnis zu den Eltern wird sich weitestgehend ausgeschwiegen. Sie vermisst ihre Eltern nicht, sie spricht nicht über sie, das einzige was erwähnt wird ist ein verschlossener Raum, den sie irgendwann dann doch betritt, was aber ziemlich emotionslos geschieht.

Die Schwäche des anderen ist letztlich die eigene Stärke. – Seite 72

Auch das Verhältnis zu dem sehr viel älteren Mann Hein Schuberth ist für mich völlig verwirrend. Sie sehnt sich nach Nähe, okay, kann ich nachvollziehen. Aber er ist für mich als Charakter überhaupt nicht zu begreifen. Mal will er dass sie die Maske abnimmt und er schläft mit ihr, mal schreit er sie an und will nur ihre Macht und ihr Geld ausnutzen. Das erfolgt aber alles so plötzlich und ohne Aufklärung, dass ich mich als Leser überrumpelt gefühlt habe und diesen Handlungsstrang überhaupt nicht mehr ernst nehmen konnte.
Dann das Ende… ich will nichts darüber verraten aber für mich war der Ausgang was Margarete betrifft, von Anfang an vollkommen vorhersehbar und was Hein Schuberth angeht ging es mir alles viel zu schnell und wird meiner Empfindung nach auch nicht wirklich aufgelöst. Ich fand das Ende wirklich schlecht und muss dafür noch mal extra Punkte abziehen.
Was so gut und tiefgründig, vor allem auch als Gesellschaftskritik, angefangen hat endet für mich in unsinnigem Räuber und Gendarm Spiel mit völlig unrealistischem Ende, bei dem ich leider froh war als es vorbei war.
„Das Gesicht der anderen“ startete gut und spannungsvoll, konnte mich dann aber leider doch nicht überzeugen und deswegen kann ich nur 2 von 5 Sternen vergeben.

Fabian Eder, geboren 1963, lebt als freiberuflicher Autor und Filmemacher in Wien. Regie und Drehbuch u. a. bei der Verfilmung des Romans Die Schrift des Freundes von Barbara Frischmuth oder bei
Fernsehfilmen aus der Reihe TATORT (Granit, Kein Entkommen). 2013 erschienen Griechenland blüht, ein Buch über das Leben in der Krise, sowie sein Debüt­roman Aufstand bei Braumüller.
Vielen Dank an Vorablesen für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

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